“Wir schaffen das nur gemeinsam”

Apr 11, 2023

Wie kann der Photovoltaik-Ausbau auf öffentlichen Dächern beschleunigt werden? Podiumsdiskussion in Ulm: „Wir schaffen das nur gemeinsam!“

„Wir schaffen das nur gemeinsam“ – So hätte der Titel der Podiumsdiskussion am Dienstagabend in der VH Ulm auch lauten können, welche zusammen mit dem regionalen PV-Netzwerk Donau-Iller und der Lokalen Agenda Ulm veranstaltet wurde. Antonia Gordt, PV-Netzwerk Baden-Württemberg, moderierte die spannende Diskussion zwischen fünf Akteurinnen und Akteuren des PV-Ausbaus und ca. 60 Teilnehmerinnen und Teilnehmern vor Ort und hybrid. Auf der Bühne stellten sich Guido Knappe (SG-Leiter Photovoltaik bei der Betriebsleitung des Landesbetriebs Vermögen und Bau Baden-Württemberg), Michael Groh (DB Station & Service AG, Leiter Regionalbereich Südwest), Frau Elisabeth Strobel (Verband der BürgerEnergiegenossenschaften in Baden-Württemberg e.V.), Tim von Winning (Baubürgermeister der Stadt Ulm) und Felix Denzinger (Vorstand der Teckwerke Bürgerenergie eG) den Fragen von Frau Gordt und den anwesenden Bürgerinnen und Bürgern.

Baden-Württembergs Ziel: Klimaneutralität bis 2040

Die zentrale Fragestellung des Abends lautete: Wie können wir den Photovoltaik-Ausbau auf öffentlichen Dächern beschleunigen? Baden-Württemberg will bis 2040 klimaneutral sein, die Landesverwaltung sogar bis 2030. Um dieses Ziel zu erreichen, müssen verfügbare Potentiale genutzt werden. Und die Größe des verfügbaren Potentials auf den Dächern Baden-Württembergs darf nicht unterschätzt werden: 61,5 GW seien möglich, davon werden bisher jedoch mit 6,9 GW nur etwa 11% genutzt. Was kann getan werden, um diesen Anteil möglichst schnell zu erhöhen?

Bürgerinnen und Bürger wollen mitmachen

Aus Sicht der anwesenden Bürgerinnen und Bürger ist das völlig klar: Sie wollen mitmachen! Der Wunsch, sich als Bürgerin und Bürger zu engagieren, der durch Frau Strobels optimistische und motivierende Beiträge noch befeuert wurde, war an diesem Abend durchgehend zu spüren. Vor Ort waren auch Mitglieder der in der Gründungsphase befindlichen Bürgerenergiegenossenschaft Ulms, die sich von Baubürgermeister Herrn von Winning mehr Unterstützung wünschten. Es zog sich eine gewisse Konkurrenz durch den Abend, zwischen den von Herrn von Winning angepriesenen Stadtwerken und ihrem Beitrag zum Gemeinwohl auf der einen Seite, und den Bürgerenergiegenossenschaften mit ihrer Vorbildfunktion und akzeptanzschaffenden Wirkung für die Energiewende auf der anderen Seite. Diese Situation beruht allerdings keineswegs auf Feindseligkeit – vielmehr lässt sich darin der dringende Wunsch erkennen, die Energiewende schnell und effektiv anzupacken. Darum die wichtige Nachricht des Abends: „Wir schaffen das nur gemeinsam“. Stadtwerke und Bürgerenergiegenossenschaften sind keine Rivalen, und mit guter Kommunikation und viel Zusammenarbeit kann das Ziel einer klimaneutralen Energieversorgung erreicht werden. In diesem Rahmen hat nun eine Art kooperatives „Wettrennen“ begonnen: Die Stadt Ulm will Dächer sowohl an die Stadtwerke als auch an die neue Bürgerenergiegenossenschaft vergeben, was dann beiden die Chance gibt, sich zu beweisen.

Auf mehr als nur Schnelligkeit achten

Doch beim Photovoltaik-Ausbau zählt nicht nur Schnelligkeit – es soll auch auf Nachhaltigkeit und Recyclingfähigkeit geachtet werden, so der Hinweis aus dem Publikum und der Aufruf, die Kreislaufwirtschaft im Hinterkopf zu behalten. Dazu zählt nicht nur das Recycling der verwendeten Materialien, insbesondere Glas und Aluminium, sondern auch wirtschaftliche Aspekte: Wohin fließt unser Geld? Photovoltaik-Module kommen heute zu 95% aus China. Deutsche Hersteller gibt es zwar auch, aber deren Produktionskapazitäten reichen bisher für einen zügigen Photovoltaik-Ausbau nicht aus. Hier gibt es schon lange den Wunsch aus der Branche, die Photovoltaik-Industrie wieder mehr in Deutschland zu etablieren. Lokale Produktion bedeutet kürzere Lieferketten und Geldströme und auch mehr Unabhängigkeit in Zeiten der Energiekrise. Und auch wenn ein „schneller Ausbau“ und ein „nachhaltiger Ausbau“ zunächst vielleicht unvereinbar scheinen: Es ist wichtig, das große Ganze im Auge und ein Ziel im Blick zu haben.

Geld ist genug da – die Hindernisse sind andere

Was bisher zur Umsetzung der Ziele fehle, das sei nicht Geld, bestätigten alle Teilnehmenden der Diskussion, sondern Arbeitskräfte. Herr Knappe und Herr von Winning erwähnten mehrmals mit einem Augenzwinkern, dass bei Ihnen Stellen frei seien. Trotz Augenzwinkern – die Situation ist ernst, der Personalmangel an allen Stellen spürbar. Nicht nur müssen die Photovoltaikanlagen aufs Dach gebracht werden, sondern diese Dächer müssen auch auf ihren Zustand und ihre Tragfähigkeit für die schweren Module geprüft werden. Das braucht Fachkräfte. Besonders in Ulm besteht zudem bei vielen Gebäuden schon lange Sanierungsbedarf. Die Gebäude aus der Nachkriegszeit können in vielen Fällen also noch nicht für Photovoltaik benutzt werden, da sie in den nächsten Jahren erst saniert werden müssen – das braucht ebenfalls Arbeitskräfte. Ähnlich sieht das bei der Deutschen Bahn aus. Und neben diesen praktischen Überlegungen darf auch der Bürokratieaufwand nicht vergessen werden. Denn der ist leider noch gewaltig, gerade bei den vielen kleinflächigen kommunalen Dachanlagen. Dieses „Kleinvieh macht (zwar) auch Mist“, wie Herr Denzinger und Frau Strobel zu verstehen gaben, aber das bisher nötige EU-weite Ausschreibungsverfahren fresse nicht nur Zeit (oft ein halbes Jahr oder mehr), sondern auch Personalkapazitäten. Darum der Appell von Herrn Knappe an die Koalition: Um Ausbauziele erreichen zu können, müssen diese Hürden aus dem Weg geräumt werden. Denn zu hoher Bürokratieaufwand bei bestehendem Personalmangel bremst die Energiewende.

Hohe Motivation zu sehen

Nicht gebremst waren am Ende des Abends die Motivation und Bereitschaft aller Anwesenden, sich weiterhin für die Energiewende und den schnelleren PV-Ausbau einzusetzen. Zwar gibt es Hindernisse auf verschiedenen Ebenen, doch die können überwunden werden. Wichtig dafür ist neben der Ausbildung von Arbeits- und Fachkräften besonders die Kommunikation und die Zusammenarbeit. Denn: „Wir schaffen das nur gemeinsam!“

  

Ansprechpartnerin PV-Netzwerk BW:

Antonia Gordt, Solar Cluster BW e.V.

Meitnerstr. 1, 70563 Stuttgart

Tel.: +49 (0) 711 / 7870-169

www.photovoltaik-bw.de

Ansprechpartnerin PV-Netzwerk Donau-Iller:

Susanne Schulze, Ulmer Initiativkreis nachhaltige Wirtschaftsentwicklung e.V. (unw)

Kramgasse 1, 89073 Ulm

Tel.: +49 (0)731 / 88 000-390

www.unw-ulm.de