Unter der Zielsetzung, Ulm nachhaltiger und damit auch sauberer zu gestalten, hat sich auf Initiative des Agenda Büros der Stadt Ulm im vergangenen Herbst ein Arbeitskreis zum Thema „Mehrwegsystem für die Gastronomie“ zusammengeschlossen. Teilnehmer waren neben der Stadt Ulm, der Dehoga Ulm/ Alb-Donau Kreis und dem Ulmer City Marketing die Entsorgungsbetriebe Ulm, der BUND und Greenpeace.
Sonntagmorgen an der Donau: Verpackungsmüll, soweit das Auge reicht, in und neben den öffentlichen Mülleimern, neben Bänken, auf den Wiesen und zwischen den Sträuchern am Ufer. Doch die Abfallflut ist nicht nur auf die Donauwiese oder den Sonntagmorgen beschränkt. Weil Essen und Getränke für unterwegs spätestens seit Corona stark an Beliebtheit gewonnen haben und gleichzeitig Mehrweggefäße in der Gastronomie noch wenig vertreten sind, bleibt oft nur, den Burger in der Pappschachtel oder den Salat in der Polystyroldose zu kaufen. Laut Umweltbundesamt verbrauchen die Deutschen fast 19 Millionen Tonnen Verpackungen pro Jahr, davon ca. 62 %für Nahrungsmittel, Getränke und Heimtierfutter. In Deutschland werden zwar insgesamt über 70 % der Verpackungsabfälle stofflich verwertet, dabei findet allerdings häufig kein echtes Recycling, sondern ein Downcycling statt: das Material verliert an Qualität, ein weniger wertiges Endprodukt entsteht. Auch Materialschwund und Energieeinsatz beim Recycling sind hoch.
Darüber hinaus landen viele Verpackungen nicht in der Verwertung, sondern im Restmüll oder – noch schlimmer – in der Natur. Sind sie aus Kunststoff, haben sie eine hohe Lebensdauer, werden zu Mikroplastik zerrieben, gelangen in Gewässer. So spült die Donau laut Hochrechnungen von Umweltforschern der Universität Wien jeden Tag rund 4,2 Tonnen Plastik ins Schwarze Meer.
Neues Verpackungsgesetz soll helfen
Um die Müllmengen zu senken, trat 2021 ein neues Verpackungsgesetz in Kraft. Seit Juli 2021 sind einige Einweg-Plastikartikel wie Strohhalme oder Wattestäbchen verboten, seit 1. Januar dieses Jahres Plastiktüten, und die Pfandpflicht gilt für alle Einweg-Getränkeverpackungen (außer Tetrapak). Ab 2023 wird es eine Mehrwegpflicht unter anderem für To-Go-Speisen geben: Gastronomiebetriebe ab einer bestimmten Größe müssen ihrer Kundschaft Mehrwegbehälter für die Speisen anbieten und diese auch zurücknehmen, die kleineren müssen von der Kundschaft mitgebrachte Gefäße auf Wunsch befüllen.
Das Agenda-Büro hat letzten Herbst mit weiteren Stakeholdern eine Mehrweg-Initiative für Ulm gegründet, um sich einen Überblick über die aktuelle Situation zu verschaffen und mit den betroffenen Interessengruppen erste Schritte zu erarbeiten, um auf diese Verpflichtungen vorbereitet zu sein.
Umweltbewusstsein bei der Kundschaft vorhanden
Dabei unterstützte sie Katharina Turnwald mit ihrer Masterarbeit. In einer nicht repräsentativen Umfrage erfuhr sie, dass 43 % der Befragten aufgrund der Abfallproblematik ganz oder teilweise auf Speisen und Getränke zum Mitnehmen verzichten. Über 50% würden ein Restaurant mit Mehrwegsystem gegenüber einem mit Einweggeschirr bevorzugen. Laut Umfrage fände ein sogenanntes Poolsystem die größte Akzeptanz, bei dem mehrere Gastronomen teilnehmen und es somit mehrere Aus- und Abgabestellen für die Mehrwegbehälter gibt.
Konzentration auf wenige Systeme empfiehlt sich
Die Initiativgruppe empfiehlt den Einsatz möglichst weniger Systeme in der Ulmer Gastronomie, um eine komfortable Dichte an Rücknahmestellen zu erreichen. Turnwald untersuchte rund 10 verschiedenen Poolsysteme, verglich sie miteinander und führte Interviews und Umfragen bei Gastronomiebetrieben durch. Am Ende fanden drei Systeme die größte Akzeptanz sowohl bei der Kundschaft als auch bei den Betrieben: Rebowl, ein Pfandsystem mit Kunststoffgefäßen; Vytal, pfandfrei mit Kunststoffgefäßen und Relevo / Hogaka, ebenfalls pfandfrei, aber mit hochwertigen, transparenten Glasgefäßen.
Das System von Relevo / Hogaka funktioniert mit einer App: die Gäste scannen bei der Ausgabe der Speisen und Getränke den QR-Code auf dem Geschirr, zeigen die Scan-Bestätigung vor und leihen es kostenfrei aus. Innerhalb von 14 Tagen geben sie das leere Geschirr bei teilnehmenden Gastro-Partnern zurück, indem sie den Rückgabe-QR-Code an der Rückgabestation scannen. Wird das Geschirr nicht rechtzeitig zurückgegeben, werden für die Schüssel 10 € und für den Becher 5 € bei der Kundschaft abgebucht. Auch eine Offline-Variante ist verfügbar.
Vytal funktioniert ähnlich, allerdings mit Plastikbehältern. Rebowl arbeitet nach dem vom Mehrwegbecher Recup bereits bekannten Pfandsystem. Für eine Schüssel werden 5 € Pfand bezahlt, für Becher 1 €.
Selbst aktiv werden
Die Gastronomiebetriebe müssen ab 1. Januar 2023 eine Mehrweglösung anbieten. Dann kommt es darauf an, dass die umweltfreundliche Alternative auch genutzt wird. Bereits jetzt gibt es in Ulm eine Reihe von Betrieben, die dieses Angebot aus Überzeugung freiwillig machen. Helfen Sie mit, schon jetzt Abfall zu sparen und die Mehrweg-Lösungen in Ulm auszuweiten: Fragen Sie das nächste Mal bei Ihrem Lieblingsrestaurant nach der Mehrweglösung oder schlagen Sie es einem Mehrwegsystemanbieter Ihrer Wahl als Kunden vor. Bei Rebowl können Sie sogar Botschafter*in für Ihre Kommune werden. Kaufen Sie auch Ihre Getränke soweit möglich in Mehrweg-Behältern. Bei der Reduktion der Abfallberge sind wir alle gefragt.
Diese Betriebe arbeiten in Ulm bereits mit Mehwegsystemen
(Stand April 2022, ohne Anspruch auf Vollständigkeit):
Barrel House, Bäckerei Staib, Bella Vista, Der Wilde Wirt, Edeka Dörflinger, Elinaki, Klingenstein Blaustein, Konzertsaal, Lago, Smalah und das Zunfthaus der Schiffleute (Relevo/Hogaka) Gastromenü Catering& Events, Noha Ulm, Oh my Waffle! (Vytal) Brot und Stühle (Rebowl)
Sie kennen weitere Betriebe, die Mehrweg-Geschir anbieten? Einfach eintragen auf kartevonmorgen.org und z.B. mit #mehrweg versehen.
Infos jeweils unter rebowl.de, relevo.de, vytal.org.